Donnerstag, 1. August 2024

30 Jahre Terranischer Club EdeN und Atlans vergessene Kinder

Zum 30-Jahre-Bestehen des TCE, oder in voller Länge Terranischer Club EdeN, hatte dieser einen Story-und-Grafik-Wettbewerb ausgeschrieben unter dem Motto »Atlans vergessene Kinder«.
Vom Mannheimer PERRY-Stammtisch beteiligten sich dabei Roland Wolf als Grafiker und STELLARIS-Autor Gerhard Huber mit einer Geschichte.

Die beiden erreichten dabei Platz 1 in der Kategorie der am Computer erstellten Grafiken bzw. Platz 3 bei den Stories. Beim ColoniaCon im Mai 2024 fand die Preisverleihung statt.
Roland Wolf unterstützt den Mannheimer PERRY-Stammtisch sozusagen in grafischer Hinsicht, steuert Bilder zur PERRY-Fan-Serie DORGON bei und arbeitete bereits das ein oder andere Mal mit Gerhard Huber zusammen.
Zuletzt 2023, als Gerhard Huber, in Zusammenarbeit mit Michael Tinnefeld, eine Kurzgeschichte zum DORGON-Projekt »Kurzreisen ins Chaos« beigesteuert hatte.

Roland Wolf fertigte dabei ein Bild, das von Gerhard Hubers Geschichte »Strom der Sterne« inspiriert ist.



Es folgt an dieser Stelle das erste Kapitel dieser Geschichte. Die vollständige Geschichte, sowie alle weiteren Beiträge des Wettbewerbs, findet man in der inzwischen beim TCE erschienen Anthologie.

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Strom der Sterne

1.

3471 v. Chr., Mesopotamien

Inanna Abendstern – Am Euphrat

Du hast es selbst herausgefordert, Narr! Wieder einmal!, durchfuhr es Ni-tanal. »Das ist nicht wahr!« Er schlug er sich eine Hand gegen den Mund, als er bemerkte, dass er das laut gerufen hatte. Kein guter Einfall während einer Flucht, denn der Ausruf und die Geste hätten ihn möglicherweise verraten und zudem aus dem Tritt gebracht. Doch er hatte immer noch genug Vorsprung vor den Verfolgern. Bis zum rettenden Schilf war es nicht mehr weit. Und mit etwas Glück hatten sie nicht bemerkt, welchen Abzweig er diesmal zum Euphrat genommen hatte.

Angekommen am Schilfgürtel versteckte sich Ni-tanal so gut es ging und hoffte darauf, nicht entdeckt zu werden. Er brach sich dennoch ein Stück Schilfrohr ab, durch das er Luft holen konnte, falls er sich unter Wasser begeben musste. Der Trick hatte ihn schon bei früheren Gelegenheiten gerettet. Er mochte ein Sonderling und Außenseiter sein, doch Ba-ratal und seine Bande waren dafür nicht die hellsten Fackeln im Tempel.

Noch ein Grund, warum sie nicht gut auf dich zu sprechen sind, wenn du so von ihnen denkst, vermutete Ni-tanal und zog sich noch ein Stück ins Schilf zurück. Sein wollenes Gewand saugte sich langsam mit Wasser voll, doch das war ihm gleichgültig. Er musste nur ruhig abwarten. Und Ni-tanal war das Glück tatsächlich hold.

Nach einiger Zeit des Ausharrens verließ er den Schilfgürtel. Offenbar hatte er seine Verfolger abgeschüttelt oder sie hatten tatsächlich einen anderen Weg genommen. Erschöpft ließ sich Ni-tanal im Ufersand nieder, streckte sich und ließ sich von der Sonne trocknen. Das Schilfrohrstück legte er griffbereit neben sich, falls die Verfolger ihn doch aufspüren sollten und er ins Wasser flüchten musste. Es dauerte nicht lang, bis Ni-tanal im wärmenden Sonnenlicht döste und erst aufschreckte, als ihn eine Hand an der Schulter berührte. Fast hätte Ni-tanal aufgeschrien vor Überraschung, doch erkannte er das vertraute Gesicht Ninsiannas vor sich und keinen seiner Verfolger.

»Wieder mal recht schreckhaft und am Fluss, was?«, scherzte das Mädchen.

»Spar dir deinen Spott«, entgegnete Ni-tanal. »Als ob ich freiwillig hier wäre.«

Dabei blickte der Junge zum Horizont und erkannte, dass die Sonne sich allmählich dem Untergehen zuneigte. In Kürze würde auch der Abendstern Inanna erscheinen.

»Wieso bist …?«, setzte Ni-tanal an.

»Ich habe dich auch nicht sofort gefunden. Auf dem Weg vom Markt habe ich zufällig entdeckt, wie du beinahe Ba-ratal und seiner Meute in die Arme gelaufen wärst. Da bin ich ihnen gefolgt. Aber ich habe dich dann doch entdeckt«, erklärte Ninsianna verschmitzt. »Und ich wollte dich nicht verspotten«, fügte das Mädchen hinzu und strich Ni-tanal eine seiner silberfarbenen Haarsträhnen aus der Stirn.

Ni-tanal trug seine ansonsten dunkelbraunen Haare möglichst verstrubbelt und schulterlang. Er hoffte damit die Silbersträhnen, eines seiner Merkmale, das ihn zum Sonderling machte, halbwegs zu verbergen. Kurz sprachlos nahm Ni-tanal das Schilfrohrstück in die Hand und zeichnete sichtlich verlegen Wellenlinien in den Sand.

»Ah, du übst«, scherzte Ninsianna erneut.

»Ja, schließlich bin ich der auserwählte Schüler des Hohepriesters Lu-Basher, weil mein Vater At…« Ni-tanal verstummte.

Ninsianna legte den Kopf schief. »Ach, komm schon. Du bist kein Sonderling, sondern etwas Besonderes. Der Hohepriester unterrichtet dich. Verstehst du denn immer noch nicht, welch Privileg das ist. Wirf das nicht weg!«

Ni-tanal richtete erneut verlegen und zudem beschämt seinen Blick auf den Himmel und den dort inzwischen sichtbaren Abendstern.

Kein Wunder, dass Ninsianna nach dem Abendstern genannt worden war, dachte er bei sich. Ihre Augen funkeln mindestens so schön wie Inanna. Schau ihr nicht noch mal in die Augen!, ermahnte er sich vergebens. Und sie ist auf meiner Seite, aber wir haben nichts gemeinsam sonst, sie hat Vater und Mutter, mein Vater ist weg und vielleicht sollte ich sie heiraten, ich habe das doch nicht ausgesprochen?, schreckte er auf. Ni-tanal schüttelte den Kopf, als wollte er seine wirren Gedanken abschütteln.

»Ich muss los!, plapperte Ni-tanal stattdessen drauf los. »Die Abendlektion bei Lu-Basher …«

Ni-tanal sprang auf, ließ das Schilfrohrstück achtlos fallen und machte sich auf den Weg zurück nach Uruk. Ninsianna erhob sich ebenfalls und meinte dabei, diesmal jedoch sichtlich spöttisch: »Ich bringe dich besser persönlich zum Haus des Hohepriesters, nicht dass du doch noch Ba-ratal und seiner Meute in die Arme läufst!« [...]

(gh)



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